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Kommunikationsmodell Themenzentrierte Interaktion (TZI)

Die Themenzentrierte Interaktion (TZI) verbessert die Kommunikation in Arbeitsgruppen und bietet ein Modell für deren Leitung.

Themenzentrierte Interaktion ist ein Handlungskonzept für effektives Lernen und Arbeiten, das die Person, die Gruppe und das Thema einbezieht. Es eignet sich für die Arbeit von Teams und die Mitarbeiter*innenführung. Dabei werden Kooperation, Persönlichkeitsbildung und verantwortliches Handeln bei der Bearbeitung sachlicher Anliegen und Aufgaben miteinander verbunden.

TZI ist besonders geeignet für Weltladen-Teams, da es die Eigenverantwortung jeder*jedes Einzelnen für sich, die Gruppe, den Arbeitsprozess und das Arbeitsergebnis betont. Es ist partizipativ und egalitär, da der*die Leiter*in zugleich Teilnehmer*in und Leiter*in der Gruppe ist.

Die Begründerin der Themenzentrierten Interaktion ist Ruth Cohn. Ihr Konzept steht in der Tradition der Humanistischen Psychologie.

Worauf TZI abzielt

  • Selbstständigkeit und Eigenverantwortung stärken – im Kontakt mit anderen Menschen
  • lebendige Lernprozesse gestalten – in Beziehung zu den beteiligten Personen
  • Rivalität und Konkurrenz transparent machen, fair und partnerschaftlich miteinander umgehen
  • Führungspersönlichkeit und Leitungskompetenz weiterentwickeln
  • Ladenplena, Arbeitsgruppen, Vorstandssitzungen erfolgreich leiten

Zentraler Ausgangspunkt der TZI für die Arbeit von Gruppen oder Teams ist das folgende Modell:

IMAGE

Das Modell beschreibt die verschiedenen Ebenen, auf denen die Interaktionen eines Teams/einer Arbeitsgruppe stattfinden und die Faktoren, die sie beeinflussen.

ES – ICH – WIR

ES ist das Thema, die Aufgabe, der Anlass, zu dem sich ein Team oder eine Arbeitsgruppe zusammenfindet. ES ist, entsprechend dem Eisbergmodell, der sichtbare und ausgesprochene, bewusste Teil des Prozesses.

Individuen (ICH), die gemeinsam eine Gruppe (WIR) bilden, gestalten diesen Prozess. Dabei haben die Bedürfnisse der Einzelnen und der Gruppe meistens keinen sichtbaren oder benannten Platz (weil unbewusst, unausgesprochen) in einem Arbeitsprozess. Diese Faktoren bleiben oft zugunsten einer vermeintlichen Sachorientierung außen vor und werden eher als unpassend und störend wahrgenommen.

TZI geht davon aus, dass ein lebendiges, effektives und befriedigendes Zusammenarbeiten hingegen nur möglich ist, wenn auch die einzelnen Personen (ICH), ihre Beziehungen zueinander, ihre Interaktionen und das Gemeinsame der Gruppe (WIR) ausreichend berücksichtigt werden, bzw. sich entfalten können. Ist dies nicht der Fall, beeinträchtigen Bedürfnisse, Störungen, Spannungen, Unausgesprochenes den Arbeitsprozess (ES).

Das ganze Potenzial der Teammitglieder und der Gruppe (dabei ist die Gruppe mehr als die Summe ihrer Mitglieder) kann für die Arbeitsaufgabe nur genutzt werden, wenn ihre Bedürfnisse und Interessen berücksichtigt werden. Ein Teammitglied, das abgelenkt ist, das sich ausklinkt, kann zum Arbeitsergebnis nichts beitragen. Unausgesprochene Konflikte in der Gruppe behindern Mitarbeit und Kooperation usw.

Die dynamische Balance des Dreiecks

„Für eine effektive Teamarbeit müssen alle Ebenen ausgeglichen sein. Es darf kein Übergewicht in einer der drei Ebenen entstehen, weil sonst der Erfolg der Teamarbeit leidet. Ein Übergewicht auf der ES-Ebene geht zu Lasten der individuellen Bedürfnisse und des Gemeinschaftsgefühls. Ein Übergewicht auf der ICH- oder auf der WIR-Ebene kann dazu führen, dass die eigentliche Arbeit vernachlässigt wird. … Ein Vorgehen nach der TZI bedeutet auch nicht, dass ständig nur Ich – und Wir-Probleme gewälzt werden. Probleme und Konflikte kommen dann zur Sprache, wenn (oder idealerweise bevor) sie den Prozess stören. Nimmt das überhand, ist das Gleichgewicht ebenfalls gestört, da dann die Sach-Ebene zu kurz kommt. In einem Team sollten zwischenmenschliche Vorgänge und persönliche Probleme zwar beachtet und bearbeitet werden, über sie darf aber nicht das Sachziel aus den Augen verloren werden. Letztlich ist das Sachziel – also die Arbeitsaufgabe – ja das eigentlich Wesentliche der Teamarbeit.“
Zur dynamischen Balance gehört auch die zwischen intellektueller und emotionaler Beteiligung, Anspannung und Entspannung, zwischen Reden, Schweigen und Tun." (Konnert)

Globe

Der Kreis, der ES-ICH-WIR umgibt, repräsentiert die Umgebungsfaktoren wie Zeit, Ort, soziale und gesellschaftliche Gegebenheiten, die die Einzelnen, die Gruppe und den Arbeitsprozess beeinflussen. Ungünstige Umgebungsfaktoren behindern den Arbeitsprozess und umgekehrt. Dazu gehört die Tageszeit, zu der die Gruppe tagt, der Raum, die Sitzanordnung, Lärm, Unterbrechungen von außen usw. Aber auch gesellschaftliche Ereignisse, die viele Menschen bewegen, spielen eine Rolle. In den Tagen des radioaktiven Fallouts durch Tschernobyl, während des Falls der Mauer, nach dem Amoklauf von Winnenden können Einzelne oder eine Gruppe nicht einfach zur Tagesordnung übergehen.

Ruth Cohen hat für die Arbeit in Gruppen zwei zentrale Postulate aufgestellt:

  • "Sei deine eigene "Chairperson!" Dies bedeutet so viel wie "übernimm die Verantwortung für Dich selbst" und sorge für Dich. Bestimme wann und was Du sagen willst und bestimme Dein eigenes Vorgehen im Blick auf die Arbeit, die Gruppe und alles, was für dich wichtig ist. Nimm Deine Ideen, Gedanken, Wünsche und Gefühle wichtig und wähle aus, was Du den anderen anbieten kannst und um was Du bitten möchtest.
  • Störungen haben Vorrang Störungen sind alles, was Dich an der Mitarbeit in der Gruppe beeinträchtigt. Unterbrich das Gespräch, wenn Du nicht wirklich teilnehmen kannst, wenn Du gelangweilt, ärgerlich oder aus einem anderen Grund unkonzentriert bist. Die Gruppe weiß dann, was in Dir vorgeht und welchen Anteil sie daran hat. Werden Störungen nicht beachtet, so kann dies schwerwiegende Folgen haben, weil das Lernen oder die Arbeit be- oder sogar verhindert werden. Die Gruppe kann Störungen zwar ignorieren, wirksam sind sie trotzdem. Eine Gruppe, die die Störungen ihrer Mitglieder bearbeitet, gewinnt die scheinbar verlorene Zeit durch intensivere und konzentriertere Arbeit zurück.

Jedes Teammitglied ist für die Balance zwischen ES-ICH-WIR und die Beseitigung von Störungen mitverantwortlich. Das bedeutet z.B. auch, sich oder die eigene Position mal zugunsten des WIR oder eines gemeinsamen Ergebnisses zurückzunehmen. Oder dafür zu sorgen, dass man das eigene Ziel erreicht, aber nicht auf Kosten der Gruppe. Wenn z.B. ein*e Mitarbeiter*in seine*ihre Anliegen eingebracht und erledigt hat und sich dann aus dem Arbeitsprozess rauszieht, geht das auf Kosten der Gruppe.

Hilfsregeln

  • Vertritt Dich selbst in Deinen Aussagen; sprich per "Ich" und nicht per "Wir"oder "Man".
  • Wenn Du eine Frage stellst, sage, warum Du fragst und was Deine Frage für Dich bedeutet. Sage über Dich selbst aus und vermeide das Interview.
  • Sei authentisch und selektiv in deiner Kommunikation. Mache Dir bewusst, was Du denkst und fühlst, und wähle aus, was Du sagst und tust.
  • Halte Dich mit Interpretationen von anderen zurück. Sprich stattdessen Deine persönlichen Reaktionen aus.
  • Sei zurückhaltend mit Verallgemeinerungen.
  • Wenn Du etwas über eine andere Person sagst, sage auch, was es Dir bedeutet.
  • Seitengespräche haben Vorrang. Sie stören und sind meist wichtig.
  • Nur eine*einer spricht zur gleichen Zeit, bitte!

Partizipierende Leitung

Der*die Leiter*in versteht sich als Teil des Systems, ist also zugleich Teilnehmer*in und Leiter*in.

  • Als Teilnehmer*in verhält er*sie sich modellhaft im Sinne der Postulate und bringt sich selbst selektiv und authentisch mit seinen*ihren Gedanken und Gefühlen ein.
  • Als Leiter*in erspürt er*sie die weiterführenden Themen, formuliert sie und führt sie ein.
  • Er*sie schlägt Arbeitsweisen vor und sorgt für ihre Einhaltung: z.B. Diskussion in Kleingruppen, Visualisieren von Ergebnissen, Einhaltung der Reihenfolge der Redebeiträge usw.
  • Er*sie beachtet die Balance zwischen Ich, Wir, Thema und Außenwelt. Für die Balance von Ich, Wir, Thema und Außenwelt sind alle Teammitglieder zuständig. Dies wird in den beiden Postulaten "Sei Deine eigene Chairperson" und "Störungen haben Vorrang" deutlich. Dennoch ist es für den*die Leiter*in oder Moderator*in oft leichter zu intervenieren, da seine*ihre Rolle ihn*sie dabei stärkt, vorausgesetzt, diese wird von allen anerkannt und in der Gruppe sind bestimmte Regeln vereinbart.

Einige Beispiele und Interventionsmöglichkeiten für den*die Leiter*in:

  • Der*die Leiter*in hat u.a. die Funktion, aufmerksam zu machen, zu beschreiben, zu verdeutlichen. Dazu eignen sich Redewendungen wie "Mir fällt auf...", "Ich spüre momentan...", "Ich erlebe Euch derzeit...", "Ich schlage vor, dass..."
  • Ein*e Teilnehmer*in zieht sich aus der Gruppe zurück, wird still und wirkt abwesend. Der*die Leiter*in kann sie ansprechen, seinen*ihren Eindruck mitteilen und fragen, ob er*sie noch dabei ist. Oft kann dann etwas zur Sprache kommen, was wichtig ist, aber nicht angesprochen werden konnte, wie z.B. dass sich jemand übergangen fühlt, nicht zu Wort kommt, seine*ihre Ideen geklaut wurden usw.
  • Auch wenn jemand mit schlechter Laune in das Team kommt und dort seine Wut an anderen auslässt, kann man diese Person behutsam darauf hinweisen, dass sie wohl etwas aus dem persönlichen Kreis mit in die Teamarbeit gebracht hat. Dann könnte man fragen, ob sie kurz erzählen möchte, was ihn*sie beschäftigt. Eine kurze Runde zu Beginn (z.B. des Ladenplenums), in der alle kurz sagen, wie es ihnen gerade geht, kann auch helfen, das, was man von außen in die Gruppe mitbringt, loszuwerden und sich frei zu machen für die Gruppenarbeit. Solch eine Einstiegsrunde kann ein festes Ritual der Ladenteamsitzungen sein, insbesondere, wenn die Teammitglieder sich sonst nicht oft sehen. Bei Runden gilt immer, wer nichts sagen möchte, braucht nichts zu sagen.
  • Das Gesprächsklima in der Gruppe wird immer aggressiver. Die Spannung steigt. Der*die Leiter*in kann sagen: "Ich möchte kurz die Ebene wechseln (oder ich habe eine Störung). Ich habe den Eindruck, dass es eine Gereiztheit in der Gruppe gibt." Wahrscheinlich wird sich jemand dazu äußern und eine Klärung wird möglich.
  • Die Arbeit in der Gruppe wird unkonzentriert oder man weiß nicht mehr, worüber eigentlich gerade gesprochen wird, der rote Faden ist verloren gegangen oder die Gruppe macht nicht mehr mit. Dann kann der*die Leiter*in mit einem Blitzlicht klären, wo jede*r im Moment steht. Ein Blitzlicht ist eine schnelle Runde, in der jede*r kurz sagt wo er*sie innerlich gerade ist, was ihn*sie beschäftigt. Eine Frage für ein Blitzlicht kann auch sein: "Ist das, worüber gesprochen wird, noch aktuell und interessant?" So können mögliche Störungen geklärt werden oder vereinbart werden, wie es weitergeht. Alle sind an der Lösungsfindung beteiligt. Die Verantwortung dafür liegt nicht allein bei dem*r Leiter*in.
  • Bei einer hitzigen oder chaotischen Diskussion kann es sinnvoll sein, die Gruppe aufzufordern, einen Moment innezuhalten oder eine Pause zu machen.
  • Aufgabe des*der Leiter*in kann es sein, Themen anzusprechen, die die ganze Gruppe bewegen, aber nicht zur Sprache kommen, da sie nicht zu der vereinbarten Themenstellung gehören: z.B. die schwere Erkrankung oder den Tod eines Teammitglieds anzusprechen oder die Frustration der Gruppe, weil sich die Anmietung eines neuen Ladenlokals zerschlagen hat.

Stand: 2022


Quelle

DEAB – Dachverband Entwicklungspolitik Baden-Württemberg e.V. (2010): QualiFair Aufbaukurs Weltladen. Qualifikation für Fach- und Führungskräfte im Fairen Handel. Modul “Personalführung im Weltladen” (Birgit Lieber), nach: www.ruth-cohn-institute.com; Konnerth, Tania (2010): TZI – Themenzentrierte Interaktion nach R. C. Cohn.

Quelle: Wiki-Artikel „Kommunikationsmodell Themenzentrierte Interaktion (TZI)“ von Weltladen-Dachverband e.V. unter einer CC BY 4.0-Lizenz

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Stand: 10/2022

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