Kritik
Zur Führungsaufgabe gehört, zu kontrollieren, ob die Arbeitsabläufe funktionieren und die Aufgaben im Sinne der Ziele erfüllt werden. Ebenso gehören Kritik (bei Störungen) und Anerkennung (wenn die Aufgaben erfüllt werden) zu den Führungsaufgaben.
Berechtigte Kritik zurückzuhalten nutzt niemandem. Niemand macht mit Absicht Fehler. Oft ist man sich der Fehler nicht bewusst. Sie unterlaufen einem, weil man sie nicht erkennt oder es nicht besser weiß. Mitarbeiter*innen tun in der Regel ihr Bestes und denken, dass sie es richtig machen. Hier kann eine Rückmeldung das Arbeitsergebnis verbessern.
Kritik zu äußern ist den meisten Menschen peinlich. Sie haben Angst, andere zu verletzen oder zu verärgern. Deshalb wird Kritik oft nicht klar und eindeutig geäußert, sondern nebulös, ausweichend, relativierend, verharmlosend. Es wird um den heißen Brei herum geredet. Beliebt sind auch vermeintlich entlastende Floskeln wie: "Nehmen Sie die Kritik nicht persönlich". Kritik ist insofern persönlich, da ich sie an eine konkrete Person adressiere. Sie sollte aber nicht die Person verletzen.
Selbst- und Fremdbild stimmen oft nicht überein. Kritik konfrontiert einen mit dem Fremdbild und stellt das Selbstbild in Frage. Das kann als Angriff empfunden werden.
Kritik kann schmerzhaft sein. Wir haben alle schon Erfahrung mit verletzender Kritik gemacht. Das erhöht die Furcht vor Kritik. Deutliche oder klare Kritik heißt jedoch nicht Vernichtung. Kritik im Sinne einer konstruktiven Rückmeldung kann auch fruchtbar und motivierend sein. Dafür eignet sich das Feedback gut.
Wenn Kritik nicht geäußert wird, staut sich immer mehr Unmut an. Die Wertschätzung gegenüber der anderen Person sinkt. Es kommt zu Vermeidungsstrategien und Ablehnung. Die Beziehung wird belastet. Deshalb ist keine Kritik üben, still halten, aushalten keine Lösung.
So sollte Kritik nicht geäußert werden
- Autoritäre Kritik: spontan, wütend, unreflektiert. Hier geht es meist darum Dampf abzulassen. Dabei werden oft Dinge gesagt, die man hinterher wieder zurücknehmen will. Die Redensarten "Jemanden zur Schnecke machen, die Leviten lesen, den Marsch blasen" machen deutlich, dass es um die Vernichtung des Gegenübers geht.
- Persönliche Kritik: nicht die Person kritisieren, sondern eine konkrete Handlung. Wer Fehlleistungen kritisiert, hilft, das Verhalten zu verbessern. Wird die Person kritisiert, erzeugt das Widerstand, Ablehnung, Mutlosigkeit, Angst, Ärger.
- Kritik in Gegenwart Dritter: Kritik sollte nicht in Gegenwart Dritter geäußert werden. Sie findet unter vier Augen satt.
- Ironische/sarkastische Kritik: Ironie und Sarkasmus haben bei einer kritischen Rückmeldung nichts zu suchen. Das setzt den Gegenüber herab.
- Indirekte Kritik: Vermeiden sollte man nonverbale Kritik durch missbilligendes Blicken, Kopfschütteln etc. Das führt beim Gegenüber zu großen Irritationen, Verunsicherung und erzeugt das Gefühl, abgelehnt oder abgewertet zu werden. Es öffnet Tür und Tor für Fantasien. Man weiß nicht genau, wofür man kritisiert wird und kann dann auch nichts ändern. Das Gleiche gilt für Nichtbeachtung und aus dem Weg gehen.
- Kritik auf Distanz: Kritik sollte im direkten Gespräch mitgeteilt werden und nicht per Telefon oder E-Mail. Bei beidem fehlt die nonverbale Wahrnehmung und die Gefahr von Missverständnissen wächst. Kritik sollte auch nicht durch Dritte überbracht werden.
- Kritik im letzten Augenblick: Kritik nicht im "Türschluss" äußern. Also nicht im Weggehen oder bevor der*die Kritisierte in Urlaub geht. Es sollte immer Gelegenheit geben, dass der*die Betroffene sich zu der Kritik äußern kann. Sonst bauen sich in der Zwischenzeit bis zur nächsten Begegnung Ressentiments auf.
- Gesammelte Kritik: Keine gesammelte Kritik äußern. Also nicht alles aufheben und dann zu einem Rundumschlag "Was ich Dir schon immer mal sagen wollte..." ausholen. Kritik sollte sich immer auf ein zeitnahes und konkretes Verhalten beziehen.
- Alte Kamellen: Keine alten Kamellen aufwärmen. Was zurück liegt, ist vorbei. Das Heranziehen früherer Verfehlungen dient der Beweisführung, dass ich Recht habe. Es geht nicht um Recht haben, sondern um gemeinsame Lösungen.
Interventionsmöglichkeiten vor einem Kritikgespräch
Bevor man eine*n Mitarbeiter*in explizit zu einem Kritikgespräch bittet, gibt es Vorstufen, wie man "Missstände" ansprechen kann. Das Kritikgespräch ist dann die letzte und massivste Form der Intervention.
Kritik durch Hinweis – ohne Wertung
Ohne ein mögliches Fehlverhalten anzusprechen, stellt die Ladenleitung gegenüber dem*der Mitarbeiter*in, der*die dafür zuständig ist, einen Sachverhalt fest. Begleitet wird die Aussage von einer wohlwollenden zugewandten Haltung, z.B. "Die Kaffeepäckchen sind noch nicht ausgezeichnet, Frau Bernstein." Es ist wichtig diese Mitteilung namentlich zu adressieren, sonst kann sie als allgemeiner Appell verhallen. Die Feststellung des Sachverhaltes signalisiert dem*der Mitarbeiter*in, dass der "Fehler" bemerkt wurde. Eine Vertiefung ist nicht nötig.
Kritik durch Aufforderung – ohne Wertung
"Bitte achten Sie darauf, Herr Eckstein, dass die neuen Waren mit dem längeren Mindesthaltbarkeitsdatum im Regal hinter die Waren mit dem kürzeren Mindesthaltbarkeitsdatum eingeräumt werden. Das ist wichtig, damit wir keine abgelaufenen Produkte im Regal haben." Also nicht: "Wir haben doch vereinbart, dass...", "Jetzt ist es schon wieder falsch", "Immer stehen die neuen Waren vorne, obwohl wir doch vereinbart haben..." Es geht nicht um Vorwürfe oder um negative Wertungen, sondern um einen sachlichen Hinweis mit der Aufforderung, etwas Konkretes zu tun. Es ist wie eine positive Gebrauchsanweisung für die Zukunft. Die Begründung, warum das Vorgehen sinnvoll ist, bezieht den*die Mitarbeiter*in mit ein und erhöht die Transparenz.
Kritik durch Ansprechen des Fehlverhaltens, verbunden mit einer Aufforderung ohne Wertung
Bei dieser Stufe wird das Fehlverhalten klar benannt und mit einer Handlungsaufforderung verbunden. "Frau Fleckstein, ich habe eben die Situation beobachtet, als die Kundin rein kam. Dabei habe ich Ihr Verhalten als abweisend empfunden. Bitte achten Sie in Zukunft darauf, dass sie die Kund*innen begrüßen, wenn diese den Laden betreten. Mir ist wichtig, zu signalisieren, dass die Kund*innen wahrgenommen werden." Hier wird die Kritik als Ich-Botschaft mit der eigenen Wahrnehmung geäußert, eine konkrete Situation wird beschrieben und eine klare Erwartung in Form einer positiven Gebrauchsanweisung formuliert.
Sollte diese Kritik in Form von Hinweisen, Rückmeldungen und Aufforderungen keine Veränderung erzielen, ist ein Kritikgespräch mit dem*der Mitarbeiter*in nötig.
Stand: 2020
Quelle
DEAB – Dachverband Entwicklungspolitik Baden-Württemberg e.V. (2010): QualiFair Aufbaukurs Weltladen. Qualifikation für Fach- und Führungskräfte im Fairen Handel. Modul “Personalführung im Weltladen” (Birgit Lieber), nach: Kratz, Hans-Jürgen (2007). 30 Minuten für konstruktives Kritisieren und Anerkennen; Kiesow, Hans (1996): Heisse Eisen. Schwierige Mitarbeitergespräche motivierend führen.