Motivation
Viele Weltläden beschäftigen sich mit der Frage, wie Mitarbeiter*innen motiviert werden können, regelmäßig am Ladenplenum teilzunehmen, sich über die Produkte und Produzent*innen zu informieren, zu den Fortbildungen zu kommen, sich an Aktionen zu beteiligen, sich für die Kampagnenthemen zu interessieren etc.
Mythos Motivation
Motivation kann nicht erzeugt werden. Aber es können Rahmenbedingungen geschaffen werden, die Demotivation verhindern und Engagement und Beteiligung ermöglichen.
Das Wort Motivation kommt vom lateinischen movere und bedeutet bewegen.
Man unterscheidet zwischen intrinsischer (von innen her kommender) und extrinsischer (von außen her angeregter) Motivation.
Die intrinsische Motivation ist der eigene Antrieb. Sie entspringt aus dem, was einen bewegt, umtreibt, angeht, herausfordert. Sie wird gespeist von den eigenen Beweggründen und ist selbstgesteuert. Es gibt ein eigenes Interesse an den Zielen und Aufgaben.
Die extrinsische Motivation bedeutet, von außen zu etwas bewegt zu werden. Es handelt sich um eine Fremdsteuerung durch eine andere Person mit Hilfe von Anreiz- oder Sanktionssystemen.
Die Vorstellung, man könne Mitarbeiter*innen zu etwas motivieren, basiert auf einem Reiz-Reaktionsschema und einer mechanischen Vorstellung vom Menschen. Wenn die Führungskraft dieses oder jenes tut, dann leisten die Mitarbeiter*innen mehr und erfüllen die Erwartungen und Ansprüche. Die Ausgangsfrage für die Motivierung lautet: "Wie kann ich eine*n Mitarbeiter*in dazu bringen, etwas zu tun, was er*sie allein aus sich heraus nicht tun will?"
Um das zu erreichen, werden verschiedene Motivierungsstrategien eingesetzt.
- Belohnen
- Belobigen
- Bestechen
- Bedrohen
- Bestrafen
Solche Strategien setzen asymmetrische Beziehungen voraus, entsprechen den Erziehungstechniken, die häufig Kindern gegenüber angewandt werden und sind eher bedenklich. Auch Druck, Vorwürfe, Erpressungen, Moral, Verpflichtung, Appelle motivieren nicht. Sie bewegen Menschen nur kurzfristig. Langfristig führen sie zum Rückzug der Mitarbeiter*innen. Ebenso sind die positiven Anreize wie Belohnung und Lob zwiespältig. Künstliche Anreize können die intrinsische Motivation zerstören, da dann nur noch etwas getan wird, wenn es dafür etwas gibt. Wobei der Anreiz auf die Dauer immer stärker werden muss, um noch eine Reaktion zu erzeugen.
Die Frage "Wie kann ich die Mitarbeiter*innen motivieren?" ist also die falsche Frage. Motivation bringen die Freiwilligen selber mit. Motivation kann man nicht erzeugen. Aber man kann sie untergraben, aufzehren oder verhindern. Oder positiv formuliert, Rahmenbedingungen schaffen, die es Menschen ermöglichen, ihre Motivation einzubringen, ihren Wunsch, sich oder etwas zu bewegen, zu verwirklichen.
Voraussetzungen für engagierte Mitarbeit
Damit Mitarbeiter*innen ihre Arbeit erfüllen können, braucht es nicht nur Motivation, sondern auch noch Leistungsfähigkeit und die Leistungsmöglichkeit.
- Wollen = Leistungsbereitschaft
- Können = Leistungsfähigkeit
- Dürfen = Leistungsmöglichkeit
Mitarbeiter*innen-Motivation ("Ich will")
Die Leistungsbereitschaft liegt allein in der Verantwortung der Mitarbeiter*innen. Das Wollen entspringt ihrer Motivation und kann nicht durch außen oder jemand anderen erzeugt werden. Wenn es keine Leistungsbereitschaft gibt, hat irgendetwas die Mitarbeiter*in demotiviert. Die Gründe dafür können innerhalb oder außerhalb der Arbeit liegen.
Führungskräfte im Weltladen sind nicht zuständig für die Motivation der Mitarbeiter*innen. Sie können aber mit den Mitarbeiter*innen einen Dialog über die Ziele und Notwendigkeiten im Weltladen führen, aus dem Vereinbarungen resultieren, die verbindlich und einforderbar sind.
Mitarbeiter*innen-Kompetenzen ("Ich kann es und mir wird etwas zugetraut")
Die Leistungsfähigkeit bezeichnet die individuellen Voraussetzungen, die Fähigkeiten und Kompetenzen des*der Mitarbeiter*in, um eine Aufgabe zu bewältigen. Die Leistungsfähigkeit ist eine gemeinsame Entwicklungsaufgabe von Mitarbeiter*innen und Führungskräften. Dabei geht es nicht darum, jemanden nur nach seinen Fähigkeiten einzusetzen, sondern auch darum Fähigkeiten zu erweitern. Dies wird zum einen durch Anleitung und Fortbildung ermöglicht, aber auch dadurch, dass man sich neuen Herausforderungen stellt. So können die Mitarbeiter*innen durch das Ausprobieren unterschiedlicher Arbeitsaufgaben herausfinden, was ihnen am meisten liegt oder nach einer längeren Periode der Tätigkeit in einem Arbeitsbereich dem Wunsch nach Abwechslung nachkommen.
Im Weltladen suchen sich die Mitarbeiter*innen ihre Tätigkeiten selbst nach Neigung und Können aus. Dabei bleiben sie manchmal unter ihren Möglichkeiten.
Anleitung und Fortbildung sind auch im Weltladen wichtige Instrumente, um die Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter*innen zu erhöhen. Hinzu kommen Ermutigung und Zutrauen. Menschen wachsen an Herausforderungen. Sie suchen sie sich selbst oder werden vor neue Anforderungen gestellt. Nichts ist demotivierender, als wenn einem nichts zugetraut wird. Dabei gibt es häufig ein Wechselspiel zwischen sich selbst nichts zutrauen und anderen, die einem nichts zutrauen.
Macher*innen im Weltladen signalisieren häufig unbewusst, dass sie anderen nicht zutrauen, die Aufgaben gut genug (d.h. genau so wie sie) zu erledigen und tragen so mit dazu bei, dass sich Mitarbeiter*innen nichts Neues oder nicht die Übernahme von Verantwortung zutrauen.
Wenn Mitarbeiter*innen neue Aufgaben übernehmen, brauchen sie unter Umständen Anleitung (Kompetenzerwerb), Ermutigung und Vertrauen anderer in ihre Fähigkeiten. Dazu gehört auch ein Klima der Fehlerfreundlichkeit. Gibt es keine Toleranz Fehlern gegenüber, vermeiden die Mitarbeiter*innen, Neues auszuprobieren und ziehen sich auf Bewährtes zurück.
Es gibt häufig die Klage, Mitarbeiter*innen wollten keine Verantwortung übernehmen. So wird z.B. jemand für den Vorstand gesucht und niemand meldet sich. Meistens wird ein allgemeiner Appell in die Runde geschickt, der ohne Resonanz bleibt. Sinnvoller ist es, jemanden, dem man diese Aufgabe zutraut, direkt anzusprechen. Mit der direkten Ansprache ist implizit die Rückmeldung verbunden, dass man die andere Person mit ihren Fähigkeiten wahrnimmt und ihr etwas zutraut.
Auch wenn sich im Weltladen die Mitarbeiter*innen ihre Aufgabenbereiche selber aussuchen, kann man aktive Personalpolitik betreiben, indem man neue Aufgaben oder Herausforderungen an einzelne Mitarbeiter*innen heranträgt.
Herausforderungen aktivieren die Menschen. Nichts ist langweiliger, als den Status quo zu verwalten. Das lässt sich häufig auch beobachten, wenn ein Weltladen umzieht. Im alten Laden ist alles eingefahren, oft gibt es nicht viel zu tun und wenig Kundschaft. Nur noch wenige Mitarbeiter*innen nehmen an Ladentreffen und Schulungen teil. Wofür auch? Es gibt ja nichts Neues zu bewältigen. Im neuen Laden sind sie oft hoch engagiert und wollen noch zusätzlich zur großen Arbeitsbelastung Schulungen, um die neuen Anforderungen zu bewältigen oder nehmen wieder aktiv an den Ladentreffen teil, um informiert zu sein.
Aktive Personalpolitik fördert also die Kompetenzerweiterung der Mitarbeiter*innen. Werden "Defizite" festgestellt, sollte es immer erst einmal um die Erweiterung der Fähigkeiten durch Anleitung gehen. Es kann manchmal aber auch nötig sein, Mitarbeiter*innen einen Aufgabenbereich zu entziehen, wenn sie die Fähigkeiten dafür nicht haben und auch nicht erlernen können. So eignen sich z.B. nicht alle Menschen für den direkten Kund*innenkontakt. Oder die Fähigkeiten älterer Mitarbeiter*innen lassen nach und sie fühlen sich überfordert. In diesem Fall ist es wichtig, eine Rückmeldung zu geben und gemeinsam nach einer Lösung zu suchen. Das können andere Tätigkeiten sein oder z.B. die Besetzung von Doppelschichten im Ladendienst, so dass Entlastung entsteht.
Genauso wichtig ist es, die Mitarbeiter*innen nicht durch ständige Anforderungen zu überlasten und das Maß, in dem sie sich engagieren wollen, zu respektieren. Ständige Überlastung und Überforderung führen zum Ausgebrannt-sein.
Partizipation, Gestaltungsfreiheit, Eigenverantwortlichkeit ("Ich darf es machen wie ich will")
Die Leistungsmöglichkeit bezeichnet den Handlungsspielraum der Mitarbeiter*innen. Dürfen sie sich einbringen mit eigenen Ideen und Vorstellungen, dürfen sie Verantwortung übernehmen und sind sie mit Entscheidungsbefugnissen ausgestattet? Den Handlungsspielraum der Mitarbeiter*innen zu gestalten ist eine Aufgabe der Organisation und der Leitung. Die Organisationsstruktur bestimmt, welche Aufgabenbereiche es gibt, wer für was verantwortlich ist und mit welchen Entscheidungskompetenzen sie ausgestattet sind. Die Leitung muss Partizipation, Gestaltungsfreiheit und Eigenverantwortung ermöglichen.
Je größer der Gestaltungsspielraum ist, desto höher ist das Engagement und die Bereitschaft zur Übernahme von Verantwortung.
Das ermöglicht ihnen
- sich frei zu entfalten
- sinnvoll zu arbeiten
- erfolgreich zu arbeiten
Auf Anweisung zu arbeiten, degradiert die Mitarbeiter*innen zu Handlanger*innen und ist demotivierend.
Voraussetzungen für selbstverantwortliches Handeln:
- klarer Aufgabenbereich
- klare Zuständigkeit
- eigenständiges Arbeiten Einzelner oder des Teams
- Entscheidungsbefugnisse
- Verantwortung zugeteilt bekommen und übernehmen
- fehlerfreundliche Unternehmenskultur
- Ressourcen
- Zugang zu den relevanten Informationen
Mitarbeiter*innen brauchen einen Aufgabenbereich, den sie alleine oder im Team eigenständig gestalten können. Das können einfache oder komplexe Aufgaben sein. Für die Durchführung müssen sie mit genügend Ressourcen ausgestattet sein (z.B. ein Budget), über die sie verfügen können. Sie dürfen den Aufgabenbereich selbst gestalten, eigenständige Entscheidungen treffen und sie tragen die Verantwortung für das Resultat. Das heißt auch, dass ihr Beitrag anerkannt oder gegebenenfalls kritisiert wird, da die Arbeitsergebnisse in die Gruppe oder ins Ladenplenum etc. rückgekoppelt werden.
Quelle
DEAB – Dachverband Entwicklungspolitik Baden-Württemberg e.V. (2010): QualiFair Aufbaukurs Weltladen. Qualifikation für Fach- und Führungskräfte im Fairen Handel. Modul “Personalführung im Weltladen” (Birgit Lieber), nach: Sprenger, Reinhard K. (2010): Mythos Motivation. Wege aus einer Sackgasse; Niermeyer, Rainer / Seyffert, Manuel (2009): Motivation.