Kolonialgeschichte und Fairer Handel
Der Umgang mit Rassismus erhielt lange Zeit im Fairen Handel keine große Beachtung. Seit einigen Jahren wird dem Thema hingegen vermehrt Aufmerksamkeit geschenkt – auch im Bildungsbereich. Ein Blick in die koloniale Vergangenheit ist aufschlussreich. Die koloniale Vergangenheit reicht bis in die Gegenwart und wirkt sich auch auf den Fairen Handel und die Bildungsarbeit aus. Daher wird Kritik am Fairen Handel und dessen enthaltenen Rassismus laut und die Forderung gestellt, Bildungsmaterialien auf Diskriminierungen hin zu analysieren.
Kolonialzeit
Besonders im 19. Jahrhundert dehnten die europäischen Großmächte ihre besetzten Gebiete gewaltsam weiter aus. Kurz nach dem Ende des ersten Weltkrieges war die Hälfte des globalen Festlandes und zwei Fünftel der damaligen Weltbevölkerung kolonialen Regimen unterworfen. Der Kolonialismus hat so nachhaltig gewirkt, dass er auch Länder prägte, die weder Kolonialmacht noch Kolonie waren. Die lokale Bevölkerung wurde oft trotz aktiven Widerstands gewaltsam verschleppt, beraubt, unterdrückt oder gar eliminiert. Bestehende soziale Strukturen, politische Systeme, kulturelle Praktiken, Wissensarchive, Religionen und Sprachen wurden unterdrückt oder zerschlagen. Das eroberte Land wurde von den Kolonialmächten – oftmals entgegen lokal langfristig gewachsenen geopolitischen Räumen und Grenzlinien – nach dem eigenen Vorbild gestaltet und gemäß eigenen Interessen umfunktioniert. Neben militärischen Zielsetzungen wurden Siedlerkolonien gegründet, um das Land agrarisch zu nutzen. Dadurch entstand die koloniale Plantagenwirtschaft unter Ausbeutung lokaler Arbeitskräfte und/oder versklavter Menschen. Die Kolonialmächte bauten Straßen, Eisenbahnen und Häfen, um die Rohstoffe exportieren zu können. Der Binnenhandel und eine Weiterverarbeitung der Rohstoffe im Inland fanden keine Förderung. Die starke Fokussierung auf die Interessen der Kolonialmächte, die in der Ausbeutung der Länder als „Rohstofflieferanten“ (Bodenschätze, landwirtschaftliche Produkte) lag, war nicht nur damals hochproblematisch. Diese Wirtschaftsstrukturen bestehen bis heute fort, mit den bekannten negativen Folgen wie der Abhängigkeit von wenigen Exportgütern und einer nach wie vor schwach ausgebildeten Weiterverarbeitung im Land.
Beispiel: Widerstand gegen den Kolonialismus am Beispiel vom heutigen Tansania und Namibia
Viele Menschen in Tansania und Namibia erlitten durch die Kolonialherren systematisch Erniedrigungen und mussten Morde, Vergewaltigungen, willkürliche Landenteignungen und Ausbeutung hinnehmen. Außerdem mussten sie Zwangsarbeit verrichten und hohe Steuern bezahlen. Es gab zahlreiche Kriege in den afrikanischen Kolonien gegen die Zwangsherrschaft, die von den Kolonialmächten brutal niedergeschlagen wurden. Zu den größten gehörte der Maji-Maji-Aufstand (1905 – 1907) im heutigen Tansania. Beim Völkermord an den Herero, Nama, Damara und Khoi/San im heutigen Namibia wurden ca. 80 % der Herero und die Hälfte der Nama-Bevölkerung getötet. Tansania sowie Namibia sind beides ehemalige deutsche Kolonien. Deutschland hat die Massaker deutscher Truppen an den Herero und Nama im Jahr 2004 als Völkermord bezeichnet und sich offiziell entschuldigt. Die Nachkommen der Opfer des Völkermordes der deutschen Kolonialmacht fordern seit Jahren (gerichtlich) Entschädigungszahlungen. Ihre Forderungen blieben (bislang) ohne Erfolg.
Stand: Dezember 2020
Quelle
Weltladen-Dachverband (2018): Warum wissen meine Eltern das eigentlich nicht\?